Die Kurzfassung: Die Rolle der Gene wird beim Älterwerden massiv überschätzt! Einen etwas längeren Artikel zu diesem Thema habe ich vor einiger Zeit verfasst und gebe ihn untenstehend wider, aber lassen Sie sich bitte nicht einreden, dass Sie ein kürzeres Leben haben, nur weil in Ihrem Verwandtschaftskreis einige Menschen frühzeitig erkrankten oder gar verstarben. Gene spielen nur eine Nebenrolle im Alterungsprozess, gerade wenn Sie jünger als 100 Jahre sind! Sie haben Ihre Gesundheit, Ihr Glück, Ihre Lebenszeit, Ihre Verjüngung selber in der Hand! Ergreifen Sie diese Chance, am besten jetzt und gleich!
Die Frage, wie und warum wir altern, beschäftigt die Menschen schon seit Jahrtausenden. Schon im antiken Griechenland beschäftigten sich viele Dichter und Denker mit diesem Thema, und weil z.B. erkannt wurde, dass eine Leiche kalt und trocken ist, ging Aristoteles beispielsweise davon aus, dass Kälte und Trockenheit die Alterungsmechanismen beschleunigen.
Die moderne Wissenschaft geht zwar auch beobachtend vor, aber doch mit größerem Detail und besseren Mechanismen. Vor allem seit dem vorigen Jahrhundert sind Forschungen zum Thema der menschlichen bzw. biologischen Alterung regelrecht explodiert, weshalb die Forschungsergebnisse mittlerweile kaum noch zu überblicken sind.
Doch noch immer ist der Alterungsprozess nicht in all seinen Facetten entschlüsselt worden, was gerade auch damit zu tun hat, dass es sich
hierbei um einen sehr komplexen und schwierigen Prozess handelt, der eine ganze Reihe von physiologischen und funktionellen Veränderungen des gesamten Körpers umfasst, der also alle Körperteile und
Organe betrifft, wobei das Endergebnis schließlich eine stetig zunehmende Gebrechlichkeit und den Tod bedeutet.
Was eine wissenschaftliche Untersuchung des Alterungsprozesses ebenfalls so schwierig macht ist die Tatsache, dass es keine einzige Variable, keine einzelne Kennzahl gibt, die gemessen und dann als
Grundlage von Forschungen genommen werden kann. Selbst das numerische Alter, das „chronologische Alter“ wie es wissenschaftlich heißt, spiegelt nicht unbedingt das eigentliche, das „biologische
Alter“ wider, geschweige denn die Geschwindigkeit, mit welcher unser Körper altert bzw. schon gealtert ist. Ist die 83-jährige Frau Schmidt wirklich vergleichbar mit ihrer Nachbarin, der ebenfalls
83-jährigen Frau Müller? Oft erkennt schon der Laie mit wenigen Blicken und nach wenigen Minuten, dass die dynamische und noch jugendlich wirkende Frau Müller „biologisch jünger“ ist als die meist
bettlägrige Frau Schmidt – doch wie misst man das und wie betreiben Wissenschaftler dann Forschungen, um das Altern dieser beiden Personen konkret untersuchen zu können?
Mittlerweile gibt es mehr als 100 Jahre Erfahrungen auf diesem Gebiet und immer bessere Messverfahren, mit denen nicht nur die Folgen des Alterns, sondern auch das eigentliche Altern und Alterungsvorgänge gemessen werden können. All das wird in späteren Serien noch genauer beleuchtet werden, denn hier interessiert vor allem welche Rolle die Gene spielen.
Für die Beantwortung dieser Frage spielte die Entdeckung von sogenannten „progeroiden Syndromen“ eine besondere Rolle. Es handelt sich hierbei um – sehr selten auftretende – Krankheiten, bei denen Kinder geboren werden, die zum Teil fünf- bis zehnmal schneller altern als gleichaltrige Kinder. So treten bei ihnen oft schon im Kindesalter solche Krankheiten und Erscheinungen auf, die man sonst bei älteren Erwachsenen kennt, sie kriegen Falten im Gesicht, haben mit fünf oder sechs Jahren schon ihre ersten grauen Haare und erleiden oft noch bevor sie erwachsen geworden sind Herzinfarkte oder Schlaganfälle. Ihre durchschnittliche Lebenserwartung ist ebenfalls massiv verkürzt und oft erreichen sie nicht einmal die 30.
Natürlich ist all das tragisch und dramatisch für die Betroffenen und ihre Familien, doch für die Wissenschaftler haben diese „progeroide Syndrome“ große Einsichten gemacht. Denn anhand dieser äußerst seltenen Erkrankungen, die das physiologische Altern beschleunigt auftreten lassen, stellte sich oft ein einzelnes Gen als ursächlich heraus. Weil eben ein einziges Gen betroffen war, das zu dieser schnellen Alterung führte, konnten die Wissenschaftler dann Stück um Stück Alterungsprozesse basierend auf Gene entschlüssen. Mittlerweile sind die Ursachen des Werner-Syndroms, des Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndrom, des Bloom- und das Cockayne-Syndrom, um nur einige von vielen zu nennen, allesamt entschlüsselt worden und haben der Alterungsmedizin einen großen Schub geben können.
So liegt beispielsweise beim autosomal-rezessiv vererbten Werner-Syndrom ein Defekt im WRN-Gen bzw. RecQL2-Gen auf dem Chromosom 8 vor. Es
gibt mittlerweile mehr als 35 beschriebene Mutationen bei diesem Gen, doch bei allen auftretenden Mutationen kommt es zu einer Störung der DNS-Helikase der RecQ-Familie vor, welche wiederum für eine
Reparatur von Schäden am Erbgut verantwortlich ist. Der Defekt im WRN-Gen führt zu einer erhöhten Mutationsrate, insbesondere zu DNS-Deletionen, und zu einer raschen Verkürzung der Telomere, weshalb
die Betroffenen zum Teil zehn Mal schneller altern als Nichtbetroffene.
Mittlerweile haben Wissenschaftler nicht nur durch solche Syndrome, sondern durch Millionen an DNS-Untersuchungen nicht nur beim Menschen, sondern auch bei anderen Spezies eine Vielzahl an Genen
gefunden, welches die Alterung betrifft. So wurden bis heute mehr als 300 solcher Gene beim Menschen gefunden, und bei anderen Organismen sogar mehr als 2200 Gene! Es ist hierbei zu wissen, dass
manche davon die Alterung beschleunigen, andere wiederum aber regelrechte Anti-Aging-Effekte haben, also die Alterung verlangsamen. All das hat zu der Erkenntnis geführt, dass die Genetik eines
Individuums durchaus zu seiner Alterung beiträgt, aber nach diversen Zwillingsstudien und Populationsstudien maximal 25 % der Alterungsgeschwindigkeit insgesamt ausmacht (wenn man nicht gerade eines
der sehr seltenen progeroide Syndrome hat). Wissenschaftler wissen mittlerweile, dass mehr als drei Viertel durch die Umwelt, also durch unsere Lebensumstände gemacht wird, dass erst wenn alle diese
Ernährungs-, Umwelt-, Verhaltens-, psychologischen, physischen und andere Faktoren maximal und positiv verändert worden sind, die Gene erst wirklich ins Spiel kommen. Das ist die gute Nachricht:
Unsere Gene spielen kaum eine Rolle, ob wir vorzeitig oder eben grazil altern, ob wir mit 100 Jahren noch fit durch die Welt eilen oder mit 60 Jahren schon im Rollstuhl sitzen und vorzeitig gealtert
sind. Im folgenden Artikel will ich auf die Hauptgründe der Alterung eingehen.