Warum altern wir?

Die Kurzfassung: Es gibt viele beschriebene Gründe, wieso der Mensch (und auch  andere biologische Wesen) altern. Die sechs gängigsten stelle ich unten in einem längeren Artikel vor. Wieso das überhaupt wichtig ist? Das ist ganz einfach: Wer versteht, wieso er oder sie altert, kann das Problem erfolgreich angehen. Das habe ich als Arzt schon früh gelernt: Nur wenn die Diagnose richtig ist, kann die Therapie auch richtig sein. Daher sind Sie bei mir genau richtig, mittels genauer Befragung und, sofern nötig, Verweis an ein Labor für Initialdiagnostik, können Sie und ich  gemeinsam einen Plan entwerfen, wie Sie jünger, fitter und gesünder werden! Es gilt mein Credo: Sie haben Ihre Gesundheit, Ihr Glück, Ihre Lebenszeit, Ihre Verjüngung selber in der Hand! Ergreifen Sie diese Chance!

 

Wir alle kennen das Phänomen des Alterns und wenn ich Ihnen beispielsweise einen Menschen beschreibe, der eine runzlige Haut und einen Haarschopf voller weißer Haare hat, werden Sie aller Wahrscheinlichkeit nach diese Person nicht unbedingt als jugendliche Person im Sinn haben. Doch was lässt uns Menschen eigentlich älter werden und wenig überraschend stellen sich Menschen diese Frage seit Jahrtausenden. So wurde nach griechisch-römischer Vorstellung das Altern häufig auf ein Ungleichgewicht der Körpersäfte zurückgeführt, wobei man vor allem einen Mangel am Element Feuer beim älteren Menschen annahm. Man glaubte, dass dieses Ungleichgewicht verschiedene gesundheitliche Probleme wie Seh- und Hörprobleme, Arthrose und eine erhöhte Anfälligkeit für Atemwegserkrankungen verursachte, wie auch eine Neigung zur Kälteintoleranz. Auch geistige Probleme, die mit hohem Alter einhergehen, wie Gedächtnisprobleme und Senilität, wurden mit diesem Ungleichgewicht der Körpersäfte in Verbindung gebracht.

Mittlerweile ist die Biogerontologie, die sich mit den biologischen Veränderungen älterer und alternder Menschen befasst, aufgrund vieler Tausender an Forschern, die sich mit dem Thema des Alterns weltweit beschäftigen viel weiter gekommen, doch sie hat gerade damit zu kämpfen,dass oft unklar ist, ob Dinge, die sie beim älteren Menschen findet, wirklich mit dem Altern zusammenhängen, also zur Alterung führen oder eher Folge von Alterungsvorgängen sind. Beispielsweise findet man an sonnigen und warmen Tagen einen Anstieg von sowohl eiskremessenden Menschen als auch solchen, die einen Sonnenbrand haben – doch ist beides miteinander kausal verbunden, verursacht also Eiskem einen Sonnenbrand (oder führt ein Sonnenbrand zu einem höheren Konsum an Eiskrem)? Natürlich ist das nicht der Fall, sondern es stellt sich heraus, dass die Sonne hier der kausale Faktor ist, der sowohl den Eiskremkonsum als auch die Entstehung eines Sonnenbrandes beeinflusst und mit solchen Problemen haben eben Wissenschaftler ständig zu kämpfen, gerade bei der Erforschung der Alterungsvorgängen.
Dennoch haben Wissenschaftler mittlerweile ein Dutzend an Theorien entwickelt, wieso es zur Alterung von biologischen Wesen und gerade auch uns Menschen kommt. Die sechs wichtigsten werden hier vorgestellt:

 

Alterungsmechanismus 1: Anhäufung von DNS-Schäden
Die Desoxyribonukleinsäure (DNS) ist die Grundlage des menschlichen Lebens. Hierin sind alle genetischen Informationen eines Organismus gespeichert und sie befindet sich in (fast) allen menschlichen Zellen. Leben bedeutet dem Ausgesetztsein vieler schädlicher Einflüsse und daher neigt die DNS zur Mutation, d. h. es entstehend z.T. vorübergehende und z.T. dauerhafte Veränderungen der DNS-Sequenz. Es kann sich um eine geringfügige Veränderung handeln, wie z. B. Der Austausch einer Nukleinbase durch eine andere, aber auch um eine größere Veränderung, wie z. B. die Einfügung oder Löschung längerer DNS-Sequenzen, einschließlich chromosomaler Störungen. Diese Mutationen können so schwerwiegend sein, dass sich eine Zelle in eine Krebszelle verwandelt oder zum programmierten Zelltod, der Apoptose, vom Immunsystem gedrängt wird.
Schäden an der DNS sind seit Beginn des Lebens auf dieser Erde ein jeden Moment auftretendes Problem aller lebenden Organismen, da DNS-schädigende Faktoren wie Chemikalien, extreme Temperaturen oder Strahlung in Form von radioaktiven Röntgenstrahlen, aber auch ultraviolettem Licht allgegenwärtig sind. Es kann hier zur sogenannten Desaminierung und Hydrolyse kommen, Lücken, Kerben, Brüche, Brücken/Addukte und Quervebindungen können zwischen den Doppelsträngen entstehen, wie auch die DNS sich in und um sich selber und andere Eiweiße schlingen kann, um einige von sehr vielen Möglichkeiten zu nennen. All das führt dann zur fehlerhaften DNS-Transkription, also der Bildung dysfunktionaler Eiweiße, was ein Kennzeichen gealterter Zellen und Organismen dann ist, gerade wenn die DNS-Reparaturvorgänge nicht mehr Schritt halten können mit der Ansammlung all dieser Schäden.

 

Alterungsmechanismus 2: Mitochondriale Dysfunktion
Mitochondrien sind kleine, intrazelluläre Strukturen, die nicht nur ihr eigenes Genom behalten haben, sondern auch eine Transkriptions- und Translationsmaschinerie, mit der sie ihre eigenen Eiweiße produzieren können, besitzen. Sie sind wichtige Strukturen für die Energieerzeugung einer jeden Zelle, aber spielen auch wichtige Rollen innerhalb der zellulären Signalübertragung. Eines der klassischen Merkmale des Alterns ist eine fortschreitende Abnahme nicht nur der Aktivität der Mitochondrien, sondern auch ihrer Resilienz, mit anderen Worten: Eine mitochondriale Dysfunktion ist eng mit dem Altern und altersbedingten Krankheiten verbunden.
In diesen Mitochondrien wird die wichtigste Energiequelle der Zelle, Adenosintriphosphat (ATP), über den so genannten Krebszyklus produziert. Wenn die Mitochondrien anfangen, weniger zu produzieren, also anfangen dysfunktional zu werden, ist die gesamte Zelle in der Herstellung der Eiweiße betroffen. Das kann einerseits mit angehäuften Schäden der Mitochondrien zusammenhängen, anderseits mit der verminderten Zufuhr von bestimmten chemischen Stoffen, die für die Funktion der Mitochondrien wichtig sind wie z.B. Nikotinamid-Adenin-Dinukleotid (NAD+) (welches in bestimmten Nahrungsmitteln, vor allem pflanzlichen Ursprunges, gefunden wird) aber auch Sauerstoff (man denke an die verminderte Leistungsfähigkeit von Menschen mit Lungenerkrankungen). Darüberhinaus können andere Chemikalien oder toxische Nebenprodukte wie reaktive Sauerstoffradikale oder ein hoher Kalziumgehalt ebenfalls zu einer Schädigung der Mitochondrien führen, Entzündungen auslösen und die Funktion der Mitochondrien derart beeinträchtigen, dass sie anschwellen und sogar platzen können. Letztlich ist ein Charakteristikum eines alternden und gealternden Menschen letztlich genau das, eine verminderte Zahl an dysfunktionalen Mitochondrien.

 

Alterungsmechanismus 3: Verkürzung der Telomere
Bereits in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts entdeckten Wissenschaftler, dass menschliche Fibroblasten, Zellen, die für die Festigkeit und Unversehrtheit einer Vielzahl von Geweben wie Haut, Blutgefäße und Gehirnstrukturen verantwortlich sind, eine begrenzte Anzahl von Teilungen in der Kultur durchführen können. Sie fanden heraus, dass sich die Zellen etwa 50 Mal teilten und danach aufhörten das zu tun. Sie erkannten, dass es einen tief verwurzelten internen Mechanismus gibt, der die Anzahl der Teilungen steuert und sie dann aufhören lässt.
Die Strukturen, die dafür verantwortlich sind, wurden später als sogenannte Telomere identifiziert, die sich am Ende der Chromosomen befinden, also die DNS wie die Kappen am Ende eines Schnürsenkels abschließen. Biochemisch gesehen bestehen sie aus sich wiederholenden Basenpaaren, aus sich wiederholenden Nukleotidsequenzen 3'-[TTAGGG]-5', die dann von einer „Kappenstruktur“ abgeschlossen wird, die dann von einem speziellen Protein, dem so genannten Shelterin-Komplex, wiederum bedeckt wird. Diese Telomere nutzen sich durch eine Vielzahl an äußeren und inneren Faktoren ab, wie sie auch bei jeder Zellteilung kürzer werden. Wenn dann diese Telomere zu kurz werden, wird das im Regelfall als Signal des programmiertenZelltodes gesehen und die betroffene Zelle geht in die Apoptose.
Normalerweise wird eine angemessene Telomerlänge durch ein Reparaturenzym namens Telomerase sichergestellt. Es kommt in den meisten Geweben in hoher Konzentration vor, darunter in Stammzellen, in der Haut, im Darm, aber auch in blutbildenden Zellen sowie in Haaren und Hoden. Sowohl Telomere als auch Telomerase sind jedoch anfällig für eine Vielzahl von Faktoren, die sie schädigen und damit die Funktion der Telomere beeinträchtigen können. Mittlerweile gelten sowohl die Telomere als auch die Aktivität der Telomerase als Zeichen des Alterns und gealterter Zellen und der Verlust der Telomerfunktion führt zur Instabilität des Genoms.

 

Alterungsmechanismus 4: Wenigerwerden der Stammzellen
Stammzellen sind Mehrzweckzellen, also Vorläuferzellen mit dem Potenzial zur Selbsterneuerung und multidirektionalen Differenzierung. Durch Selbsterneuerung und Differenzierung können sie ausgereifte Zellen produzieren, geschädigte Organe erneuern und reparieren und die Gesundheit und Vitalität des menschlichen Körpers wiederherstellen bzw. erhalten. Viele Studien haben gezeigt, wie wichtig Stammzellen in jeder Lebensphase sind, einschließlich des Wachstums in der Jugend und im Erwachsenenalter, aber auch in späteren Stadien und zur Reparatur von beschädigtem oder abgestorbenem Gewebe. Während des gesamten menschlichen Lebens können Stammzellen Signale erkennen, die von gealterten oder geschädigten Zellen abgegeben werden, den betroffenen Gewebebereich, der repariert und verjüngt werden muss, orten und sich dann dorthin begeben und in die benötigten Zellen differenzieren. Leider nimmt im Laufe des Alterungsprozesses der Anteil der Stammzellen an der Gesamtzahl der Zellen allmählich ab, wie auch ihre Aktivität im Laufe des Lebens nachlässt.
Dieser zahlenmäßige Rückgang ist auf eine Vielzahl von Gründen zurückzuführen, u. a. auf erhöhte DNS-Schäden, Replikationsstress, mitochondriale Funktionsstörungen und epigenetische Faktoren, die letztlich alle zur Alterung und Erschöpfung der Stammzellen führen. Dieser Rückgang der Stammzellzahl und -funktion steht in engem Zusammenhang mit einer Abnahme der Gewebefunktion und der Reparaturkapazität. Dies kann in allen Gewebetypen beobachtet werden und ist eine weitere Erklärung dafür, warum und wie der menschliche Körper altert.

 

Alterungsmechanismus 5: Epigenetik
DNS und damit Gene können durch das Hinzufügen von chemischen Strukturen verändert werden. Dazu gehören die Methylierung, die Histonmodifikation oder der Umbau des Chromatins, um nur drei der wichtigsten zu nennen. Die DNS-Methylierung beispielsweise ist ein biochemischer Prozess, bei dem eine Methylgruppe (-CH3) an eine Cytosinbase angefügt wird. In den letzten Jahren haben Forscher die komplexe Beziehung aufgedeckt, die zwischen DNS-Methylierungsmustern und dem Alterungsprozess besteht, wobei Veränderungen entweder durch Wegnahme oder Hinzukommen von Methylgruppen gekennzeichnet sein können. Das kann dann die DNS-Umwandlung in Eiweiße massiv verändern, zum Teil sogar komplett abstellen. Es gibt mittlerweile sogar Methylierungsuntersuchungen, die eine Schätzung abgeben, wie alt man biologisch ist, wobei die Validierung dieser Tests oft sehr schwierig ist.
Eine weitere Möglichkeit ist die Histonveränderung. Im Kern einer Zelle besteht ein so genanntes Nukleosom aus DNS-Basenpaaren, die um einen Proteinkern, den Histonkern, gewickelt ist. Dieser Kern besteht aus insgesamt vier Histonpaaren, H2A, H2B, H3 und H4. Bestimmte Teile der Histone unterliegen biochemischen Veränderungen, die ihrerseits die Genexpression regulieren können. Zu den Modifikationen gehören unter anderem Methylierung, Acetylierung, Phosphorylierung und Ubiqutierung, die allesamt das Altern beschleunigen oder verlangsamen können, je nach Lokalisation und Art der Veränderung.
Eine dritte epigenetische Veränderung ist die sogenannte Umgestaltung des Chromatins. Durch eine Vielzahl von biochemischen Veränderungen, wie sie z.T. schongenannt wurden, ändert sich die dreidimensionale Struktur der DNS. Dieses verschiebt dann die Gene entweder hin oder weg von der Zellmaschinerie und hat dann Auswirkungen auf die Eiweißsynthese, was wiederum auch zu gealterten oder eben eher jüngeren Zellen führen kann mit effizientem Zellapparat. Wissenschaftler sprechen bei diesen Veränderungen von der „epigenetischen Uhr“.

 

Alterungsmechanismus 6: Chronische Entzündungen/„Inflammaging“
Altern und chronische, oft niedriggradige Entzündungen sind so eng miteinander verbunden, dass der Begriff „Inflammaging“ geprägt wurde, um darauf hinzuweisen, dass der niedriggradige chronische Entzündungszustand, der häufig bei älteren Menschen zu finden ist, charakteristisch für den alten und alternden Erwachsenen ist. Der Begriff wurde erstmals verwendet, um den im Laufe eines Lebens zu beobachtende Anstieg von entzündungsfördernden Stoffen zu beschreiben. Außerdem entdeckte man im Laufe vieler Forschungen, dass sehr viele Krankheiten wie Atherosklerose, Typ-2-Diabetes, metabolisches Syndrom, Osteoporose und sogar viele neurodegenerative Krankheiten wie die Demenz, aber auch altersbedingte Gebrechlichkeit mit Entzündungen zu tun haben – Krankheiten, die man vor allem bei älteren und gealterten Menschen antrifft, stehen also im direkten Wechselspiel mit dem Immunsystem.
Gleichzeitig ist auch das Immunsystem im Laufe des Lebens immer weniger aktiv, und die Zahl und Funktion der Immunzellen nimmt ab. Dadurch verzögert sich nicht nur die Infektabwehr (weshalb gealterte Menschen häufiger und schwerer krank werden), sondern auch die Heilung von Wunden dauert länger. Aber auch die Bekämpfung von chronischen Entzündungen ist erschwert, weshalb das Inflammaging so weit verbreitet ist im höheren Alter. Das lässt sich meist leicht durch Blutproben nachweisen wo dann erhöhte Konzentrationen von Interleukin-6, das CRP, aber auch oder Mannose-bindendes Lektin – chronische Entzündung ist typisch für das Altern.

 

Diese sechs vorgestellten Mechanismen treten aber nicht nur isoliert auf, sondern beeinflussen sich auch gegenseitig. An jedes dieser Stellschrauben kann man drehen, wenn man das Altern nicht nur verzögern und verlangsamen, sondern sogar aufhalten und rückgängig machen will. Doch bevor konkrete Maßnahmen in einer weiteren Serie besprochen wird, lohnt es sich zunächst klar zu machen wann der biologische Höhepunkt eines Menschen erreicht ist und was einige von vielen Veränderungen sind, die man mit dem Altern feststellt.

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